Spitzenreiter im Personenverkehr

Replik. Das System Bahn ist komplex und führte in einem „Presse“-Kommentar zu einem Zahlensturz, den man aufklären muss.

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Vor zwei Tagen wurden in diesem Medium die Kosten für den Ausbau der Bahn und dessen Wirksamkeit thematisiert – mit dem Ergebnis, dass zu viel Geld für zu wenig Output ausgegeben werde. Diese Zusammenfassung behandelt das Thema nur an der Oberfläche, und das ist aus mehreren Gründen nicht zulässig.

Das österreichische Bahnnetz wurde vor über 100 Jahren errichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde zur Erreichung der „Vollmotorisierung“ vorwiegend in die Straßeninfrastruktur investiert. Erst Anfang der 1990er-Jahre wurde erkannt, dass es für eine nachhaltige Entwicklung des Verkehrssystems massive Investitionen in die Bahn braucht. Damals war das Autobahnnetz bereits größtenteils fertiggestellt.

In den 90er-Jahren wurde begonnen, viel Geld in die Bahn zu investieren. Der viergleisige Ausbau der Westbahn sei als Beispiel genannt. Dort konnte nach der Fertigstellung wesentlicher Projekte Ende 2012 eine deutliche Steigerung in der Personenverkehrsleistung erreicht werden. Das Nutzungsverhältnis von Auto zu Bahn (Modal-Split) hat sich so deutlich zugunsten Letzterer entwickelt. Im Personenverkehr auf der Schiene ist Österreich bereits EU-Spitzenreiter.

Dennoch besteht auf einigen Hauptverkehrsachsen ein starker Nachholbedarf gegenüber der Straße. Zwischen Wien und Graz gibt es zwei hochrangige Straßenverbindungen, mit der Bahn fährt man über die 165 Jahre alte Semmering-Bergstrecke mit teilweise 50 km/h und starken Steigungen, die einen effizienten Güterverkehr verhindern. Die aktuell sehr hohen Investitionen in die Bahn versuchen somit auch Versäumnisse in der Investitionspolitik des 20. Jahrhunderts wettzumachen – mit Erfolg.

Im Güterverkehr verfügt Österreich mit rund 30 Prozent im EU-weiten Vergleich (hier liegt er bei 17 Prozent) über einen der höchsten Modal-Split-Anteile zugunsten der Schiene. Dass Österreich einen im europäischen Vergleich sehr hohen Modal-Split-Anteil der Schiene im Güterverkehr aufweist, ist ein Resultat unserer konsequenten Verkehrs- und Förderpolitik.

Das System Bahn ist komplex und führte im „Presse“-Kommentar zu einem Zahlensturz, den ich aufklären möchte: Die für Ende 2016 vom Rechnungshof genannten und im Kommentar verwendeten 40 Milliarden Euro bezogen sich nicht auf Zahlungen für bereits getätigte Investitionen, sondern auf die voraussichtlichen Zuschüsse für künftige Investitionen im Zeitraum ab 2017. In Wahrheit machen die mit Stand Ende 2016 noch zu zahlenden Annuitätenzuschüsse für bereits bis 2016 getätigte Investitionen „nur“ rund 19 Milliarden Euro aus.

Noch einige Hürden

Der Ausbau der Bahn-Infrastruktur muss in seiner Gesamtheit betrachtet werden. Geld, das heute investiert wird, entfaltet seine Wirksamkeit erst morgen. Unsere Kinder und Enkelkinder profitieren von den Ausbaumaßnahmen, die aktuell in Planung und Ausführung sind, zumal Investitionen in das System Bahn auch ein bedeutender Faktor für Umwelt- und Klimaschutz sind. Ich betone, dass Österreich in Zukunft nur dann die Klimaziele und eine nachhaltige Dekarbonisierung des Verkehrssektors erreichen wird, wenn der Ausbau des Schienennetzes fortgesetzt wird und der hohe Anteil der Schiene im Personen- und Güterverkehr weiterhin gehalten bzw. verbessert werden.

Ja, es gilt zur Erreichung der Klimaziele noch viele Hürden zu meistern, wofür es eines gesamteuropäischen Schulterschlusses bedarf. Eine stärkere europäische Harmonisierung der Betriebsvorschriften und die Reduktion der Grenzwartezeiten im Schienengüterverkehr sind hier als Beispiele genannt. Mit den Investitionen in den Ausbau des Bahnnetzes ist Österreich aber schon auf einem sehr guten Weg.

Norbert Hofer (*1971) ist Bundesminister für Verkehr uns Infrastruktur (FPÖ).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2019)

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