Salzburger Festspiele: Taliban im Festspielhaus

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Oper, Theater, Konzerte – und die bildende Kunst? Die gibt in Salzburg den Pausenfüller: Anleitung zum kultivierten Small Talk in den Foyers der Festspielhäuser vor Bildern von Richter, Kokoschka, Hutter.

Mit sattem Grinsen gab der Hamburger Maler Daniel Richter am Dienstag den Clown für die Salzburger Festspiele. Bei der Enthüllung seines von Montblanc gesponserten Bildes im Foyer des Großen Festspielhauses verdrehte er für die Fotografen die Augen, tat so, als ob er mit den Fingern in seinen bebrillten Blick stechen würde, posierte galant mit Festspielpräsidentin und Sponsoren, bestaunte ungläubig lächelnd eine akrobatische Einlage von Intendant Jürgen Flimm. Letzterer war es auch, der den Wiener Akademieprofessor für Malerei 2008 für ein Bühnenbild gewann.

Ein Glücksgriff, Richters dunkelgrelle Rätselwelten für „König Blaubart“ waren das Ausstattungshighlight der Festspiele nicht nur des vorigen Jahres. Klar, dass man sich jetzt noch ein „echtes“ Kunstwerk des 1962 geborenen Malerstars wünschte, der als ehemaliger Hamburger Hausbesetzer und Punk-Produzent („Die Goldenen Zitronen“) mit klassischer Musik eigentlich wenig am Hut hat. Könnte man denken. Und freut sich über das subversive Ei, das Richter den Festspielen mit seinem Bild „Musik“ gelegt hat: Man kann darin zwar auch nur „smarte Rottöne, ein abstraktes Figürchen und daneben eine Art brav Elektrocello spielender Musikus“ sehen, wie etwa die APA.

Mit etwas mehr Misstrauen dem ersten Eindruck gegenüber erkennt man aber eher den Hindukusch, zwei Talibankrieger und einen Hirten, der weniger ein E-Cello als das afghanische Nationalinstrument anschlägt, die Rubab. Und das alles in berauschendes Mohnrot getaucht, auf den illegalen Opiumhandel anspielend, der den ganzen elenden Krieg, Taliban und Warlords finanziert.

„Entartete Kunst“ im Festspielhaus

Von einer „Verzahnung von Fremdheit und Kultur bringenden Gestalten“ sprach Richter kryptisch bei der Enthüllung, und von „Widerspruch zeigenden und versöhnenden Kräften“. Richters „Musik“ ist sozusagen das Antibild zur Plattitüde von den guten Menschen und ihren Liedern – auch Musik, Kunst im Allgemeinen kann Böses wollen oder zu Bösem missbraucht werden. Davon erzählt nicht zuletzt die Geschichte der Salzburger Festspiele, die von Hitler zu Repräsentationszwecken benutzt wurden. Ein Jahr davor, von 4.September bis 2.Oktober 1938, war das Festspielhaus schon Ort der Nazipropaganda-Ausstellung „Entartete Kunst“ gewesen, es war die einzige Station dieser Feme-Ausstellung in Österreich.

Zu diesem Zeitpunkt waren die allegorischen Fresken Anton Faistauers in der alten Eingangshalle des Festspielhauses schon mit Tüchern verhängt worden. 1939 wurden sie dann überhaupt abgetragen, der damit beauftragte italienische Maler Alberto Susat zerstörte sie aber nicht, sondern übertrug sie auf Leinwand und ließ sie auf Bühnenböden der Festspiele einlagern. So konnten sie 1956 wieder angebracht werden, im Sommer 2006 wurde die letzte Restaurierung mit finanzieller Unterstützung von Herbert Batliner beendet.

Auch die Gobelins von Anton Kolig und Robin Christian Andersen, die an den Balkonbalustraden des Kleinen Festspielhauses hingen, mussten in der NS-Zeit entfernt werden. Heute zieren sie die Wände der sogenannten Salzburg-Kulisse im Haus für Mozart. Es sind Allegorien, Sagen und biblische Themen dargestellt, etwa eine Jungfrau mit Einhorn, Adam und Eva, Kain und Abel, Spielkartenmotive. Sonst ist das neue Haus für Mozart der zeitgenössischen Kunst gewidmet: Im Foyer lehnen Not Vidals marmorne Tränentafeln, im Aufgang zur Salzburg-Kulisse trifft man frontal auf die Festspielpräsidentin, festgehalten von Xenia Hausner, ein Geschenk zu einem runden Geburtstag Helga Rabl-Stadlers.

Überblickt man die Kunstwerke, die sich im Laufe von rund 80 Jahren hier in den Festspielhäusern, in den Foyers, den Gängen, auf den Stiegen, in den Logeneingängen angesammelt haben, und es sind eine ganze Menge, muss man sagen – Richters Parodie auf die heikle west-östliche Kulturumarmung, aus der etwa hinter einer Talibanschulter statt eines Gewehrs eine Kontrabassschnecke hervorlugt, ist das inhaltlich eindeutig kontroversiellste Stück.

Das Überraschendste ist das so unscheinbar wirkende Stahlfries von Rudolf Hoflehner hinter dem Buffet in der unteren Pausenhalle des Großen Festspielhauses: Tasten Sie einmal unauffällig nach den losen Stahlstäben, die im geometrischen Muster versteckt liegen, und bringen Sie die einzelnen Teile des Frieses damit zum Klingen – Hoflehners „Huldigung an Anton von Webern“ ist nämlich ernst gemeint, das ganze sperrige Teil ist ein Klangkörper. Dass er tatsächlich klingt, wurde längst vergessen.

Phantastisch-Realistische Rangloge

Vom 1995 verstorbenen Wotruba-Schüler Hoflehner stammt auch der Eiserne Vorhang des Großen Festspielhauses. Die prächtigen Gobelins im Foyer sind von Kokoschka und Boeckl, tritt man beim Haupteingang herein, hat man auch schon Robert Longo im Rücken – Karlheinz Essl lieh diese vier großen Kreuze in Blau, Rot, Gold und Schwarz den Festspielen. Aber mit derartigen Allgemeinplätzen macht man im kulturellen Pausen-Small-Talk keine Meter.

Ganz en passant den Namen der Dame fallen zu lassen, unter deren abstrakten Stuckornamenten man gerade die Haupttreppe hinaufschreitet, das schindet wohl selbst bei Kunsthistorikern Eindruck: Sie stammen von Hilda Schmid-Jesser, der ersten Malerei-Professorin Österreichs, die in den 60er-Jahren auf der Angewandten unterrichtete. Oder zu wissen, als Gast welcher Rangloge man ein Fan des Phantastischen Realismus sein muss, um den Eintritt würdevoll zu überleben: Wolfgang Hutter stattete den Vorraum der linken Rangloge mit der großflächigen Wandmalerei „Von der Nacht zum Tag“ aus.

AUF EINEN BLICK

In rund 80 Jahren hat sich in den Salzburger Festspielhäusern eine Menge bildender Kunst angesammelt, teils noch geplant von Architekt Clemens Holzmeister. Er beauftragte Künstler wie Gudrun Baudisch und Carl Unger. In der Nazizeit musste vieles abgenommen werden, etwa die Fresken von Faistauer, die Gobelins von Anton Kolig. Heute hängen sie wieder, in den Gängen u.a. auch Gobelins von Kokoschka (hier: Amor und Psyche). In den vergangenen Jahren kamen Bilder von Max Weiler, Xenia Hausner und zuletzt Daniel Richter dazu. [Salzburger Festspiele]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2009)

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