Grönland: Die nördlichste Militärbasis Dänemarks

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Ein Besuch der „Station Nord“, der nördlichsten Militärbasis Dänemarks an der rauen Küste Grönlands. Gebaut wurde sie 1953, auf 81,5° nördlicher Breite, 924 Kilometer südlich des Pols.

Würdevoll weht der „Dannebrog“, die Flagge Dänemarks mit dem weißen Kreuz auf rotem Grund, in der metallisch-kalten Luft. Die Landschaft ist unendlich und flach, baumlos braun und in der Ferne voll weißer Flächen aus Schnee. Mittendrin eine zerwürfelte Ansammlung bunter Häuser, ein Hangar, Erdwälle, Fässer, Container, eine Landebahn. Es ist die „Station Nord“ – die nördlichste Militärbasis der Dänen auf Grönland. Der Dannebrog demonstriert ihren Anspruch auf die einsamen Weiten Nordgrönlands am Rand des Polarmeers.

Gebaut hat Dänemark die Station 1953, auf 81,5° nördlicher Breite, 924 Kilometer südlich des Pols auf der Prinzessin-Ingeborg-Halbinsel. Sie diente dem damals neuen US-Luftwaffenstützpunkt von Thule, 1200 Kilometer im Südwesten an der Westküste Grönlands, als bemannte Wetter- und Funkstation und bot eine alternative Landebahn für die US-Flieger.

Zwanzig Jahre später konnten sich die Amerikaner Wetterdaten per Satellit beschaffen, was die Station Nord für sie entbehrlich machte. So verloren sie ihr Interesse und flogen nicht länger Fracht dorthin. Weil Dänemark die finanzielle Last eines alleinigen Betriebs scheute, schloss es die Basis trotz Protesten von Offizieren und Forschern. Doch nicht für lange: Drei Jahre später kehrte das dänische Militär im Zuge der Operation „Brilliant Ice“ zurück und nutzte die Anlage wieder.

Die längste Patrouille der Welt

Das hatte auch für eine der extremsten Wach-Unternehmungen der Welt große Bedeutung: für die Hundeschlittenpatrouille „Sirius“. Das ist ein 1950 gegründetes Elitekorps aus derzeit etwa 30 Mann und 80 Schlittenhunden, das seit 1994 der dänischen Marine unterstellt ist und den unermesslich langen Küstenabschnitt von Ittoqqortoormiit im Osten bis zur Nares-Straße vis-à-vis von Kanada im Westen überwacht (s. Karte).

Das Hauptquartier der Truppe ist in Daneborg an der Ostküste. Von da starten die Gespanne ihre rund 4000 Kilometer langen, extrem anforderungsreichen Fahrten zwischen November und Juni in Nacht und Eis. Täglich werden um die 50 km zurückgelegt, pausiert wird im Zelt, zudem gibt es entlang der Strecke Hütten. Auch diesen Sommer wird der Nachschub für Sirius von der Station Nord mit „Twin Otter“-Flugzeugen zu den Schutzhütten und Proviantdepots an der Patrouillenstrecke geflogen.

Im Zweiten Weltkrieg schädigten die Vorgänger von Sirius Nazideutschland erheblich, indem sie Wetterstationen aushoben, die die Deutschen ab 1942 heimlich in Grönland errichtet hatten.

Die Station Nord ist die einzige Siedlung in Grönland, die auch im kurzen arktischen Sommer nur per Flugzeug erreichbar ist. Selbst dann verhindert die Furcht vor dem Eis den Zugang von der See her. Ein Hauptjob der Soldaten hier ist es also, die 1800 Meter lange Schotterpiste instand zu halten. Mit speziellen Schneefräsen müssen sie den besonders harten und feinkörnigen Schnee bis auf eine etwa vier Zentimeter dicke, griffige Eissohle abtragen, ohne das Schotterbett darunter zu verletzen. Diese Prozedur dauert bis zu 36 Stunden.

Fünf Mann im Eis

Auf der Piste landen und starten „Hercules“-Transporter des im dänischen Ålborg stationierten taktischen Fliegerkommandos und versorgen die 3000 Kilometer entfernte Basis in Nordpolnähe zehnmal jährlich mit Maschinen, Fahrzeugen, Essen, Baumaterialien. Im Winter gibt es in der Regel nur zwei solcher Flüge. Nur die Landebahn ist die Nabelschnur zur Welt. Nur über sie konnte kürzlich ein Mann des Sirius-Korps mit schweren Erfrierungen ausgeflogen werden.

In der Regel sind auf der Station nur fünf Mann, im Sommer können mehr als 20 Wissenschaftler und andere Gäste dazukommen. Wer hier Dienst tun will, muss das für mindestens zwei Jahre. Das dänische Grönland-Kommando legt großen Wert auf die Auswahl sowie die ärztliche und psychologische Beurteilung der Kandidaten.

Es ist etwas frisch hier

Die meist 25- bis 30-Jährigen sollten diensterfahren und handwerklich geschult sein. Dazu erhalten sie ein auf das strenge arktische Umfeld (im Jahresschnitt hat es gerade mal 13 Grad minus) zugeschneidertes Überlebenstraining.

Bei Notfällen ist ein Arzt in Dänemark über Satellitentelefon erreichbar. Dennoch muss hier jeder auch bei ernsten Verletzungen oder Krankheiten rasch Erste Hilfe leisten können, zumal die Flugdistanzen bis zum nächsten Spital erheblich sind und unsichere Wetterbedingungen einen Nottransport um Tage verzögern können.

Jeder weiß, was zu tun ist, auf die Eigenverantwortung der Soldaten wird gebaut. Der Stationsleiter teilt keine Tagesbefehle aus. Und so regelt sich die Wartung des Fahrzeugparks, der Generatoren oder die Reinigung der 35 Gebäude ebenso wie von selbst wie die Abwicklung der Starts und Landungen, die Proviant- und Wasserversorgung, die Kommunikation und das tägliche Lauftraining der zehn Ersatzhunde der Sirius-Truppe. Dementsprechend das Motto hier: „Einsam, aber stark“.

„Habe Eisbären verscheucht“

Eine der größten (und von Arktis-Laien unterschätztesten) Gefahren sind Eisbären. Die drolligen Tiere sind in dem kargen Umfeld meist auf Nahrungssuche, Menschen passen durchaus in ihr Beuteschema. Also gehören Pistolen, Jagdgewehre und Signalraketen hier zur Standardausrüstung. Ein Auszug aus dem Stationslogbuch: „Scheuchte Eisbären von der Station mit Signalpistole weg.“ Oder: „Eisbär wurde erst entdeckt, als er vor dem Gästegebäude Nr. 7 stand.“

Im Sommer werden auch Fachhandwerker eingeflogen, um besonders anspruchsvolle Arbeiten vorzunehmen. Der Stationskoch tischt auch für sie ordentlich auf – dabei gibt es sogar Kontrollen durch den Lebensmittelinspektor.

Generatoren, Heizung und Maschinen verbrauchen jährlich etwa 360.000 Liter Treibstoff. In den Tanks sind 1,2 Millionen Liter Kerosin für Flugzeuge. Das wird bei den Amerikanern in Thule gekauft und eingeflogen. Mit einer „Hercules“ ließen sich 16.000 Liter herbringen, mit den mächtigen „Ilyushin 76“-Jets ukrainischer Transportfirmen 40.000 Liter, berichtet Logistikchef John Lau Hansen.

Wettlauf um Arktis eröffnet

Alles in allem sind die Betriebskosten hier durchaus nicht erdrückend: Samt Sold für die Soldaten kostet Dänemark die Station bloß etwa 700.00 Euro im Jahr (die Kosten für die Versorgungsflüge freilich nicht eingerechnet).

Die Station leistet auch logistische Unterstützung für Wissenschaftler und Montankonzerne, die in Grönland etwa nach Blei- und Zink suchen. Den Dänen geht es nämlich nicht mehr darum, auf der seit 1979 autonomen Exkolonie bloß militärische Präsenz zu zeigen: Die ganze Arktis wird wegen des Rückzugs des Eises und durch neue Techniken für die Schifffahrt und die Suche nach Ressourcen am Meeresgrund immer wichtiger.

Die Russen forcierten den Wettlauf um die Arktis im August 2007 spektakulär, als ein U-Boot in etwa 4300 Meter Tiefe eine russische Fahne in den Meeresgrund unterhalb des Nordpols rammte. Doch der Dannebrog, der auf der Station Nord weht, zeigt, dass auch Dänemark am arktischen Kuchen mitnaschen will.

LEXIKON

In Grönland (2,16 Mio. km2) leben etwa 57.000 Menschen, vor allem Inuit. Dänemark errang im 16. Jht. die Oberhoheit. Norwegen gab 1933 eigene Ansprüche nach einem Urteil des Ständigen Internationalen Gerichtshofs auf. Dieser meinte aber, die Dänen müssten ihre Souveränität auf Nordgrönland durch eine Präsenz rechtfertigen, woraufhin Dänemarks Militär begann, dort zu patrouillieren (Karte: das heutige Operationsgebiet). Im Zweiten Weltkrieg wurden dadurch versteckte deutsche Wetterstationen ausgehoben. 1953 wurde zusätzlich die Basis „Station Nord“ errichtet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2009)

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