U-Bahn oder Straßenbahn

Weichenstellungen in Grazer Verkehrspolitik

Stau in Graz
Stau in Graz(c) APA (MARKUS LEODOLTER)
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Nach der massiven Kritik des Rechnungshofs flammt nun der politische Streit um die drängenden Probleme im Verkehr auf, die der steirischen Landeshauptstadt zu schaffen macht.

U-Bahn oder Straßenbahn: Darüber werden die Grazerinnen und Grazer in den kommenden Wochen heftig diskutieren. Bei der U-Bahn geht es um zwei Linien, wobei eine durch eine Gondelbahn ersetzt werden könnte. Details zur Machbarkeit will Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) in Kürze präsentieren – gemeinsam mit Vertretern von „Moderne Urbane Mobilität 2030“, einer 100%-Tochter der Grazer Holding, des stadteigenen Betreibers der Grazer Verkehrsbetriebe. U-Bahn war schon einmal, Ende der 1990er-Jahre, Thema. Damals wurde ein Schweizer Büro beauftragt, eine derartige Variante zu prüfen. Ergebnis: „Graz ist für eine U-Bahn zu klein, die Kosten wären zu hoch.“

Für Verkehrsfragen zuständig ist Elke Kahr (KPÖ), die diesem Projekt rein gar nichts abgewinnen kann: „Eine U-Bahn kostet sehr viel und braucht in der Umsetzung sehr lang.“ Sie favorisiert „sanfte Mobilität“ und wird dabei von Umweltstadträtin Judith Schwentner (Grüne) und von zahlreichen Bürgerinitiativen unterstützt.

Befeuert wird die Diskussion durch die Veröffentlichung eines Rechnungshof-Berichts, der die Schadstoffbelastung der Luft vor allem im Großraum Graz auf 124 Seiten heftig kritisiert und Gegenmaßnahmen einfordert. Der RH-Bericht plädiert vor allem für Tempolimits (außerhalb der Stadt) bzw. für City-Maut oder einen autofreien Tag und den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Eine U-Bahn-Variante wird nicht erwähnt.

Avantgarde der Verkehrspolitik

Blicken wir kurz zurück: In den 1980er-Jahren war Graz die Avantgarde in der Verkehrspolitik. Verkörpert wurde sie durch Erich Edegger (ÖVP), der als Vizebürgermeister für Planung und Verkehr zuständig war. Er forderte, dass Graz eine „Stadt der Fußgänger“ werde, scheute sich nicht, „Fahrverbote für die ganze Stadt“ zu thematisieren, einen zweckgebundenen Aufschlag auf Treibstoffe von 0,036 Cent (50 Groschen) zu fordern oder über eine Abgabe von 72,67 € (1000.- Schilling) pro Jahr und Auto öffentlich nachzudenken – gemeinsam mit dem damaligen Langzeit-Bürgermeister Alfred Stingl (SPÖ).

Edegger war es, der 1992 flächendeckendes Tempo 30 (mit Ausnahme der Hauptverbindungen) durchsetzte. In seine Amtszeit fiel die Forcierung des Radverkehrs, erstmals auch gegen Einbahnen, und er sagte bei Interviews auch schon einmal: „Je länger ich in der Politik bin, desto kleiner werden die Autos, die ich benütze. Bei den meisten Politikern ist das umgekehrt.“ Als er 52-jährig im Oktober 1992  überraschend an den Folgen einer Gehirnblutung starb, wurde es still in der Grazer Verkehrspolitik. Zu Wort meldete sich kurz bloß der andere ÖVP-Flügel, verkörpert vom damaligen Grazer Wirtschaftsbundobmann Peter Heinz Gebell, der von „polizeistaatlichen Methoden bei der Parkraumbewirtschaftung“ schwadronierte. In die Schlagzeilen geriet die Stadt an der Mur seither vor allem durch Belastungen, die durch Ozon, Feinstaub und Stickstoffe aus dem Straßenverkehr ausgelöst worden sind.

Der „Modal Split“, also die Verkehrsmittelwahl zeigt bei öffentlichen Verkehrsmitteln und Autonutzung in Graz wenig Veränderung: 1982 wurden 42,6 % der Wege im Auto zurückgelegt, 2018 war dieser Wert in relativen Zahlen ein wenig geringer (41,6 %), in absoluten aber höher. Denn: In diesem Zeitraum ist die Bevölkerung um mehr als ein Fünftel auf 331.000 (inkl. Nebenwohnsitze) gestiegen, außerdem hat die Motorisierung zugenommen. Österreichweit hat sich die Zahl der Pkw in diesen 39 Jahren mehr als verdoppelt. Die Nutzung Grazer öffentlicher Verkehrsmittel ist nur marginal gestiegen: von 18,1% auf 19, 8%.

Weitere 14 Straßenbahn-Kilometer

Die jetzige Verkehrsstadträtin Kahr möchte nach Realisierung der beiden Tramway-Projekte (knapp drei Kilometer, die mit Jahresende fertiggestellt werden) mehr als 14 weitere Tram-Kilometer auf drei Linien bauen, ab 2023. Damit werden Gösting bzw. Straßgang erstmalig mit Straßenbahnen erschlossen. Das Landeskrankenhaus wäre öffentlich besser angebunden, Lend- und Griesplatz als Verkehrsknotenpunkt aufgewertet. Als mittel- bis langfristiges Projekt forciert Kahr schließlich einen Schnellbahn-Ring rund um Graz. Damit sollen vor allem auch Pendler*innen zum Umsteigen auf Öffis motiviert werden. Derzeit pendeln wochentags 90.000 Menschen in die Stadt.

„Wichtig ist auch, dass wir den Radfahrer*innen ein flächendeckendes Netz von sicheren Routen anbieten können“, meint die Grüne Umweltstadträtin Schwentner. „Dabei spielen Schnellverbindungen eine große Rolle. Hier gibt es noch einen großen Bedarf, insbesondere ist dabei die Anbindung der Umlandgemeinden wichtig.“ Für dieses Vorhaben hat die steirische Landesregierung ihre Unterstützung zugesichert, auch finanzielle. 1982 wurden nur 8,2 % der Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt, während dies 2018 immerhin 19,3 % gewesen sind. Dafür haben die Fußgängerwege drastisch abgenommen: von 31 auf 19,3 %.

Ein Fünftel weniger Schadstoffe

Derzeit gibt es niemanden, der lauthals drastische Maßnahmen zur Beschränkung des Autoverkehrs verlangt. Untersucht wurde diese Frage bereits: 2018 hat das Umweltbundesamt gemeinsam mit der technischen Universität Graz dazu Berechnungen zur Schadstoffentwicklung angestellt und autofreien Tag gegen Citymaut abgewogen. Eine Citymaut in der Höhe von drei Euro brächte demnach die Verringerung der Schadstoffbelastung um knapp ein Fünftel, ein autofreier Tag immerhin noch eine Reduktion um 13 Prozent. "Aber", so Kahr, "solange der öffentliche Verkehr nicht attraktiver wird, ist eine Maut nicht vorstellbar."

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Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität in Graz, Bericht des Umweltbundesamts, gemeinsam mit der TU Graz; 2018.

"Die Presse"-Bericht über das Rechnungshof-Papier "Luftverschmutzung durch Verkehr – ausgewählte Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualitätsrichtlinie" im Volltext; 2021.

Auftrag zur Prüfung der U-Bahn für Graz.

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