Coronakrise

ÖBB rechnen heuer mit 800 Millionen Euro Umsatzausfall

ÖBB-Chef Andreas Matthä: "Mehr als eine Delle"
ÖBB-Chef Andreas Matthä: "Mehr als eine Delle"Clemens Fabry/Die Presse
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Die Coronakrise trifft die Österreichischen Bundesbahnen massiv. Sie werden rote Zahlen schreiben. Trotz der Einbußen denkt man nicht an Kündigungen.

Die Coronakrise trifft die Österreichischen Bundesbahnen massiv. "Wir rechnen heuer mit etwa 800 Millionen Euro Umsatzverlust in Folge von Covid", sagte ÖBB-Chef Andreas Matthä am Dienstag im Klub der Wirtschaftspublizisten. Dabei komme der größere Teil aus dem Personenverkehr mit knapp 450 Millionen, im Güterverkehr erwarte man rund 300 Millionen Euro Umsatzverlust und in der Infrastruktur kleinere Einbußen.

"Das ist mehr als eine Delle", so der Bahn-Chef. Unterm Strich erwarten die ÖBB heuer statt wie ursprünglich geplant über circa 170 Millionen Euro Gewinn bei 4,6 Milliarden Umsatz nun einen operativen Verlust (EBT) von rund 50 Millionen Euro. "Vielleicht wird's noch eine Spur besser", will Matthä die Hoffnung nicht ganz aufgeben. Trotz der Einbußen denkt man bei den ÖBB nicht an Kündigungen. "Wir stecken mitten in einer Pensionswelle", jährlich verliere man in die Pension mehr als 1500 Mitarbeiter.

Der Personenverkehr der Bundesbahnen war am Höhepunkt der Coronakrise bis zu 90 Prozent eingebrochen. Inzwischen beträgt der Rückgang bei den Fahrgästen immer noch 30 bis 40 Prozent. Dass jetzt viel weniger Leute in die Züge einsteigen, sei auf drei Faktoren zurückzuführen: Mehr Arbeitslose und Kurzarbeiter, mehr Teleworking im Homeoffice, sowie Fahrgäste, die aus Angst vor einer Ansteckung im Zug auf das Auto umgestiegen sind. Jeder Faktor steuere rund ein Drittel zum Passagierverlust bei.

Auch Güterverkehr rückläufig

Dabei betont der Bahnchef, dass das Zugfahren sicher sei: Neben der Maskenpflicht auch am Sitzplatz, deren Nichteinhaltung mit Strafen geahndet werde, gebe es auch verstärkte Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen. Die Klimaanlagen arbeiten mit Frischluftzufuhr. Die Bahn plane daher auch eine Kampagne, um den Leuten die Angst zu nehmen und die Lust am Bahnfahren zu steigern. Und schließlich hoffe man auf eine Impfung, ein wirksames Medikament und Schnelltests. "Gegen den Klimawandel gibt es keine Impfung", erinnert Matthä, dass Bahnfahren gegenüber dem Auto und dem Lkw deutlich umweltfreundlicher und CO2-emissionsärmer ist.

Der Güterverkehr leidet ebenfalls unter der Krise. Die Nettotonnen im Güterverkehr liegen aktuell rund 15 Prozent unter dem Vorjahr. Tiefpunkt war Ostern mit einem Minus von 33 Prozent. Besonders in der Sparte Automotive ist der Einbruch mit Rückgängen von 40 Prozent dramatisch. "Wir brauchen einen deutlichen Wirtschaftsimpuls nach vorne, wir brauchen das Vertrauen der Menschen in das Gesamtsystem: Wenn ich Sorge um meinen Arbeitsplatz habe, kaufe ich nichts und fahre nicht auf Urlaub - das merken wir".

Der Staat hat den Bundesbahnen teilweise geholfen: Für die Strecke Wien-Salzburg wurde - sowohl für die ÖBB als auch die konkurrierende Westbahn - eine Notvergabe durchgeführt, die noch bis 8. Oktober gilt. Weiters wurden die gemeinwirtschaftlichen Verträge an die niedrigeren Fahrgastzahlen angepasst. Im Güterverkehr haben die ÖBB im Einzelwagenverkehr eine Valorisierung der Beihilfe von 5 Mio. Euro bekommen, diese decke aber nicht die Verluste von rund 25 Mio. Euro. Die EU-Kommission habe signalisiert, das Schienenbenutzungsentgelt (IBE) für die gesamte Branche abzusenken, bei den ÖBB würden davon 50 Mio. Euro schlagend. "Das werden wir nicht an die Kunden weitergeben", hält Matthä schon jetzt fest. 6.000 der insgesamt 36.000 Beschäftigten in Österreich waren in Kurzarbeit, aktuell gibt es keine Kurzarbeit mehr, sondern nur noch Urlaubsabbau und Zeitausgleich. Rund 50 Prozent der Büro-Beschäftigten arbeiten im Homeoffice.

300 Millionen Euro Umsatzentfall werden die ÖBB aus eigener Kraft stemmen, kündigte Matthä an. Zusätzlich hat das Verkehrsministerium eine Eigenkapitalspritze von 61 Millionen Euro für die Güterbahn angekündigt.

Nachtzug-Kooperation mit der Schweiz wird ausgebaut

Als Erfolgsmodell erweisen sich auch während der Coronakrise die Nachtzüge. Hier sind die ÖBB Marktführer und betreiben mit 19 Nightjet Linien und acht weiteren Verbindungen mit Partnern das größte Nachtzugnetz Europas. Die bestehende Kooperation mit der Schweizer Bahn SBB wird nun - mit finanzieller Unterstützung aus dem Schweizer Klimafonds - ausgebaut.

Geplant sind neue Nachtzüge aus der Schweiz nach Amsterdam, Rom und Barcelona, weiters werden die Kapazitäten aus der Schweiz nach Berlin, Hamburg und Prag ausgebaut sowie eine neue Verbindung nach Leipzig und Dresden geschaffen. Im Planungsstadium ist eine neue Linie von Zürich über Bern - Brig - Domodossola nach Rom, weiters eine tägliche Verbindung von Zürich über Bern - Lausanne - Genf nach Barcelona.

Aber auch aus Österreich sollen die Nachtzüge verstärkt werden. Für eine Verbindung über München und Straßburg nach Paris laufen die Gespräche mit den französischen Partnern. Man arbeite noch daran, eine vernünftige Ankunftszeit in Paris zu erreichen, erläutert ÖBB-Chef Andreas Matthä am Dienstag im Klub der Wirtschaftspublizisten. Die Nachtzüge würden zunehmend zur Konkurrenz zum Flugzeug. Im Nachtzug werde um 199 Euro ein eigenes Abteil im Liegewagen mit bis zu drei Erwachsenen bzw. insgesamt sechs Personen angeboten.

Die Nachtzugflotte der Bundesbahnen wird aufgestockt: 13 neue Züge um 200 Millionen Euro wurden bei Siemens in Auftrag gegeben. Dabei werden die Waggons in Wien gebaut, die Drehgestelle in Graz. Bei den großen Investitionen - Semmering-, Koralm- und Brenner-Tunnel - wurde trotz Corona nichts verschoben, bei kleineren Projekten kam es durch teilweisen Ausfall der Baufirmen zu kleineren Verzögerungen. Auch die Tests mit Innovationen laufen: Der jüngst vorgestellte Wasserstoffzug und der Batteriezug City-Jet Eco sollen dazu beitragen, dass ab 2030 kein Diesel mehr eingesetzt wird. Daher kommen sie auf den nicht-elektrifizierten Strecken zum Einsatz.

(APA)

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