Flughafen Wien: Sicherheitslücke im System

(c) Andreas Wetz
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An Überwachungskameras und Kontrollen vorbei führt ein Ex-Mitarbeiter die „Presse“ in die Transferzone. Laut Flughafenmanagement „kein ernstes Problem, aber unangenehm“. Gegenmaßnahmen sind geplant.

Notfalls bis auf die Unterhosen“ werden seit Neujahr Reisende kontrolliert, die ein Flugzeug in die USA besteigen. Die Ankündigung des Innenministeriums gilt insbesondere für den Flughafen Wien-Schwechat, von wo aus täglich zwei Direktflüge in die Vereinigten Staaten starten. Seit dem missglückten Anschlag auf eine Maschine, die während der Weihnachtsfeiertage 2009 von Amsterdam nach Detroit unterwegs war, wurden weltweit noch einmal die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. Vor diesem Hintergrund ist es zumindest erstaunlich, dass man in Schwechat mit ein wenig Geschick in Bereiche gelangt, die eigentlich nur Fluggästen vorbehalten sind.

Ein ehemaliger Mitarbeiter des Flughafens, der während seiner Studienzeit in mehreren Abteilungen des Flughafens ausgeholfen hatte, führte die „Presse“ an unzähligen Überwachungskameras vorbei in die Transferzone des Airports, in der sich Reisende aus aller Herren Länder begegnen. „Ein gravierendes Sicherheitsrisiko“, wie der Exmitarbeiter meint. Die Flughafenverwaltung sieht das – konfrontiert mit den Ergebnissen des Selbstversuchs – anders. Ja, es sei in jedem Fall „unangenehm und sollte so nicht passieren dürfen“, räumt man ein. Eine potenzielle Gefahr sei die Lücke, die der Flughafen nicht als solche bezeichnet wissen will, aber nicht.



„Das ist ein gravierendes Sicherheitsrisiko.“

Ehemaliger Flughafenmitarbeiter

Im Prinzip reichen zum Vordringen in den inneren Bereich ein wenig Beobachtungsgabe und eine Portion Frechheit. Die Lücke befindet sich dort, wo ankommende Fluggäste in den öffentlichen Bereich des Airports gelangen (siehe kleines Foto).

Hier, in der Ankunftshalle, gelangen die Reisenden durch zwei Flügeltüren nach draußen. Beide Türen sind mit jeweils zwei Videokameras (eine außen, eine innen) „gesichert“. Rund um die beiden Türen baut sich im Halbkreis ein hüfthohes Sperrgitter auf, an dessen Außenseite Besucher auf Ankommende warten. An mehreren Stellen sind „Eintritt verboten“-Schilder angebracht.

Strömen nun mehrere Fluggäste gleichzeitig aus den Türen, sind die Chancen gut, unbemerkt von den Kameras und in die Gegenrichtung über die Absperrung und durch die Türen nach innen zu gelangen. Das Risiko, dabei ertappt zu werden, kann durch Beobachtung noch minimiert werden. Direkt hinter den beiden Flügeltüren ist nämlich der Zoll postiert. Wenn die Türen aufgehen wird sichtbar, ob dort auch tatsächlich Beamte stehen. Ist das der Fall, heißt es vorerst warten.

Ist diese Hürde überwunden, eröffnen sich mit einem Mal zahlreiche Bereiche des Flughafens. Etwa die Gepäckhalle, wo auf Laufbändern die Koffer der Fluggäste im Kreis rotieren. Ein Paradies für Gepäckdiebe?

Gepäckdiebe kein Thema

Nein, sagt die Flughafenverwaltung. Dass Gepäckstücke wegen logistischer Fehler im Bereich der Airlines verloren gehen, käme immer wieder vor, von gestohlenen Koffern wisse man jedoch nichts. Doch es geht noch weiter. Durch einen Verbindungsgang gelangt man – stets dem Strom der Reisenden entgegengerichtet und unter der Beobachtung mehrerer Kameras – durch eine zweite Schleuse bis hin zu den Gates oder in den Shoppingbereich mit seinen (Duty-Free-)Shops. Bereiche, die laut Hausordnung nur Personen zugänglich sein sollten, die vorher durch die Bordkartenkontrolle gegangen sind. Auch einkaufen war deshalb problemlos möglich. Nicht von diesem Leck betroffen sind allerdings die Hochsicherheitsbereiche des Airports. Der Versuch, in ein Gepäckverteilzentrum zu gelangen, wurde sofort bemerkt. Auch an den Sicherheitschecks vor dem Boarding führte kein Weg vorbei, und die Eingänge am Flugfeld, bei denen Reisende mit Shuttlebussen vom Flugzeug ankommen, werden zu genau kontrolliert, als dass sie als heimliches Schlupfloch dienen könnten.

Die Flughafenverwaltung entschuldigt das Leck damit, dass der Bereich zwar nur „bedingt öffentlich“ sei, deshalb aber noch nicht als sensible Zone bezeichnet werden könne.

Warum aber dann die Verbotsschilder, die schleusenähnlichen Türen und die zahlreichen Überwachungskameras, die den gesamten Bereich abdecken? Weil die Kameras nur dazu dienen, Bewegungen von Menschenmassen zu registrieren, etwa eine Panik oder andere Zwischenfälle, heißt es am Flughafen. Auf einzelne Personen werde nicht geachtet.



„Wir werden die Lage in der Ankunftshalle evaluieren und uns Maßnahmen überlegen.“

Offizielles Statement der Flughafenleitung

Außerdem: Das Scheitern vor den wirklich sicherheitsrelevanten Zonen zeige schließlich, dass die Vorkehrungen an sich greifen. Das bestätigt auch das Innenministerium, das die Sicherheitschecks in Schwechat regelmäßig überprüft – sowohl angekündigt als auch verdeckt. Erst im Vorjahr wurde bei einem dieser Audits nach absichtlich eingeschmuggelten Bombenattrappen gesucht. Die genaue Trefferquote blieb vertraulich, war laut Angaben eines Beteiligten jedoch „extrem hoch“.

Der Aufwand dafür ist enorm. Insgesamt arbeiten am Flughafen 1200 Sicherheitsleute, die 2009 bei den Personenkontrollen 25.103 verbotene Gegenstände entdeckt haben, darunter 546 Messer und 150 Schusswaffen. Sogar ein schießender Kugelschreiber war dabei.

Der betriebene Aufwand dürfte sich noch erhöhen. Trotz der Feststellung, dass die entdeckte Lücke kein Sicherheitsproblem darstelle, will man die Angelegenheit ernst nehmen. „Wir werden den Fall zum Anlass nehmen, die Lage in der Ankunftshalle zu evaluieren und uns dann entsprechende Maßnahmen zu überlegen.“ Der freie Eintritt in den Flughafen dürfte damit wohl wieder Geschichte sein. [foto.fritz - Fotolia.com]

AUF EINEN BLICK

1200 Sicherheitsleute sind am Flughafen Wien zum Schutz der Fluggäste im Einsatz. Die Transferzone mit den Lounges, Shops und der Gepäckhalle steht eigentlich nur Ticketinhabern zur Verfügung. Ein Leck am Ausgang macht den Bereich jedoch praktisch jedermann zugänglich. Laut Flughafenmanagement ist das kein ernstes Sicherheitsproblem. Dennoch will man die Lage in der Ankunftshalle nun evaluieren und sich Gegenmaßnahmen überlegen, die ein unbefugtes Eindringen ins Gebäude verhindern sollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2010)

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