Interdisziplinarität: Wider die Fragmentierung des Wissens

Wissenschaft als künstlerische Inspiration. Die Pharmazeutin und Studentin des Art-&-Science-Masters Denise Schellmann verbindet in ihrem Schaffen verschiedenste Disziplinen.
Wissenschaft als künstlerische Inspiration. Die Pharmazeutin und Studentin des Art-&-Science-Masters Denise Schellmann verbindet in ihrem Schaffen verschiedenste Disziplinen. (c) Bilderbox
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Fächerübergreifende Studienangebote geben Einblicke in die Strategien sehr unterschiedlicher Wissensgebiete und ermutigen Studierende, Systeme neu zu denken.

Das faustische Streben nach allumfassendem Wissen hat trotz oder vielleicht gerade wegen der fortschreitenden Spezialisierung wieder Konjunktur. Die komplexen Entwicklungen unserer Zeit – Künstliche Intelligenz, Genetik, Robotik oder New Economy – schreien geradezu nach ethischer, philosophischer, gesamtgesellschaftlicher Fundierung. Nicht ungern rekrutieren technologische Hochburgen Fachleute, die neben dem Abschluss einschlägiger Studien eine Affinität zum sozialen, musischen oder kulturellen Bereich nachweisen können.

In Deutschland legt etwa die private Zeppelin-Universität in Friedrichshafen Interdisziplinarität zwischen Wirtschaft, Kultur und Politik allen Studienrichtungen zugrunde; und auch an öffentlichen Hochschulen werden derartige Studien wie Integrated Coastal Zone Management (Oldenburg) oder Cultural Engineering (Magdeburg) immer beliebter.

Mischung mit Kunst

Österreich verzeichnet noch wenige derartige Studienrichtungen. Allerdings seien an einigen Universitäten immer wieder „verschiedene Mischungsverhältnisse der Kunst mit anderen Feldern“ ausprobiert worden, sagt der Regisseur und Multimedia-Künstler Virgil Widrich, der an der Universität für angewandte Kunst Wien das Masterstudium Art & Science leitet. Auch früher hätten an der Angewandten Studien wie Art & Economy oder Art & Technology zu interessanten Ergebnissen geführt.

„Wäre ich 18 Jahre alt, würde ich mich für das neue Studium der Angewandten, Cross Disciplinary Strategies, bewerben“, sagt Widrich, „und später vielleicht einen Master in Art & Science anhängen.“ Das Bachelor-Studium „Cross Disciplinary Strategies – Applied Studies in Art, Science, Philosophy and Global Challenges“ wurde im Vorjahr erstmals gestartet. Es schließt Grundlagen der Kunst und Philosophie, der Natur- und Ingenieurswissenschaften sowie der Geisteswissenschaften ein und zielt auf die Vermittlung neuer Strategien und die Entwicklung zukunftsorientierter Methoden ab.

Im Master Art & Science profitieren die Studierenden vom hohen Anteil internationaler Teilnehmer. „Im ersten Jahr war die Unterrichtssprache Deutsch, aufgrund der hohen Zahl nichtdeutschsprachiger Bewerber wurde jedoch Englisch zur alleinigen Unterrichtssprache erklärt“, sagt Widrich. Die Studierenden kommen zu etwas mehr als der Hälfte aus dem Kunstbereich und landen nach Abschluss in sehr unterschiedlichen Bereichen. „Eine Absolventin aus Deutschland hat via Crowdfunding ein soziales Projekt gegründet, einer aus Neuseeland kandidierte dort für die grüne Partei, einer aus Tschechien hat eine erfolgreiche Technik-Musikplattform gegründet, eine aus Spanien vertritt mit Partnern Liechtenstein bei der Architekturbiennale 2018“, nennt Widrich Beispiele.

Auf Interdisziplinarität ausgelegt ist auch das Doktoratsstudium Wissenschaft & Kunst, das die Uni Salzburg gemeinsam mit der Uni Mozarteum vor einigen Jahren ins Leben rief. Das Doktoratskolleg ist in einen gemeinsamen interuniversitären Schwerpunkt eingebettet, der vom früheren kaufmännischen Direktor der Salzburger Festspiele, Gerbert Schwaighofer, geleitet wird. „Aus zahlreichen Gesprächen kann ich bestätigen, wie sehr gerade in den Chefetagen internationaler Konzerne eine gewisse Breite der Ausbildung und Kreativitätsförderung geschätzt wird“, so der Experte. Das Doktoratskolleg wird laut Schwaighofer zwar großteils von Interessenten gewählt, die ohnehin eher kulturwissenschaftlichen Studien entstammten. „Viele von ihnen haben sich aber mit ihrem Thema in ihrem Fachbereich nicht wiedergefunden. Sie sind froh, dass es ein verbindendes Studium gibt.“

Nawi noch unterrepräsentiert

Wolfgang Gratzer, stellvertretender Leiter des Doktoratskollegs, bestätigt, dass die naturwissenschaftlichen Ansätze noch unterrepräsentiert seien, was sich aus wissenschaftsgeschichtlichen Traditionen erkläre. Die beiden Universitäten wollten jedenfalls gemeinsame Räume für wissenschaftliche und künstlerische Zugänge zu aktuellen Themen öffnen. Für die Studierenden spiele das Interesse am gemeinsamen Bearbeiten von Fragen eine Rolle, die transdisziplinäre Kompetenzen verlangen. „Daneben werden der fächerübergreifende Austausch, die wechselseitige Inspiration und gelegentliche Kurskorrektur als vorteilhaft genannt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2018)

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