Chris Hughes: „Facebook schadet Produktivität nicht“

(c) Clemens Fabry
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Facebook-Gründer Chris Hughes verrät im Gespräch mit der "Presse", warum er sein Internetprofil nur Freunden zeigt und warum Firmen den Zugang zu Facebook nicht sperren sollten.

Mit seinen knapp 25 Jahren hat Chris Hughes bewiesen, dass man es auch zum Internetstar bringen kann, ohne eine einzige Zeile selbst programmiert zu haben. Aufgewachsen in einer konservativen Kleinstadt in North Carolina ist er heute Mitgründer von zwei der erfolgreichsten Webprojekten weltweit. Gemeinsam mit Mark Zuckerberg gründete der Harvard-Absolvent Facebook, ein soziales Netzwerk im Internet, mit 300 Mio. Mitgliedern.

Im Vorjahr verließ er die Firma, um Barack Obama mit einer Onlinekampagne die Unterstützung der Jungwähler zu sichern. Zwei Millionen Anhänger legten ein Profil auf My.BarackObama.com an, organisierten 200.000 Events im „realen Leben“ und sammelten eine halbe Mrd. Dollar an Spenden. Nach der Wahl kehrte Hughes als Berater zu Facebook zurück.

„Die Presse“: Wie kommt es, dass man einen der vier Facebook-Gründer nicht auf Facebook findet?

Chris Hughes: Ich bin natürlich Mitglied, habe meine Einstellungen aber so gewählt, dass nicht jeder mein Profil sehen kann. Facebook ist für mich ein Mittel, um mit Freunden in Kontakt zu bleiben, nicht um neue Menschen kennenzulernen.

Wie viele Onlinefreunde haben Sie auf der Seite?

Hughes: Ich akzeptiere nur Anfragen von Menschen, die ich kenne. Das sind mittlerweile knapp 1500 Menschen, die ich aber alle auch auf der Straße grüßen würde. Der durchschnittliche Nutzer hat etwa 130 Freunde.

Kritiker unterstellen virtuellen Netzwerken oft, dass Kontakte dort auf Kosten von realen Beziehungen geschlossen werden. Vor wenigen Wochen hat auch US-Präsident Barack Obama, dessen Online-Wahlkampagne Sie geleitet haben, Kinder gewarnt, Facebook leichtfertig zu verwenden.

Hughes: Ich denke, es ist ein guter Rat für jeden Einzelnen, darüber nachzudenken, mit wem er welche Informationen teilt. Darum ist es auch so wichtig, dass jeder auf Facebook die komplette Kontrolle über seine eigenen Daten hat. Man darf aber nie vergessen, dass man letztlich selbst die Verantwortung für die eigenen Informationen trägt.

Das mag in der Theorie vielleicht stimmen. In der Praxis spricht aber schon das Geschäftsmodell von Facebook dagegen. Für zielgruppengenaue Werbung müssen Sie ja eine Menge an Nutzerdaten sammeln.

Hughes: Es stimmt, dass Firmen auf Facebook etwa gezielt Menschen bewerben können, die in Österreich leben, genauso wie bestimmte Google-Anzeigen eben nur neben passenden Suchanfragen auftauchen. Alle persönlichen Daten auf unserer Seite sind aber vor fremdem Zugriff geschützt.


Derzeit wird jeder Versuch von Facebook, mehr Nutzerdaten verwenden zu dürfen, von Protesten und Austrittsdrohungen der Mitglieder begleitet. Heuer will die Seite erstmals knapp an die Gewinnschwelle kommen, 500 Mio. Dollar Umsatz werden erwartet. Steht der Erfolg auf wackeligen Beinen?

Hughes: Nein. Es gibt viele Werbemöglichkeiten, die für die Mitglieder Nutzen generieren und mit dem Datenschutz nicht in Berührung kommen. Die erfolgreichsten Werbekampagnen auf Facebook haben nichts mit „targeted marketing“ zu tun. Stattdessen stellen Firmen Inhalte gratis bereit, etwa Filmtrailer oder virtuelle Grußkarten, die von den Nutzern verwendet werden können. Auch daran verdienen wir.

Wann können wir mit einem Börsegang der Seite rechnen?

Hughes: Niemand bei Facebook will vorschnell an die Börse. Im Moment bekommen wir genug Geld von Investoren (zuletzt kaufte sich etwa Digital Sky ein und bewertete die Seite dabei mit zehn Mrd. Dollar, Anm.), um eine gute Seite aufzubauen. 300 Millionen Mitglieder sind eine tolle Nachricht, aber Facebook wird erst so richtig abheben.

Haben Sie selbst mit Facebook schon Geld verdient?

Hughes: Ich halte Anteile.

Eine heikle Frage ist auch, wie soziale Netzwerke unser Kommunikationsverhalten verändern. Stichwort: Suchtverhalten. Jede zweite US-Firma verwehrt seinen Angestellten den Zugriff zu Ihrer Seite. Ist soziales Netzwerken im Internet schlecht für die Produktivität?

Hughes: Ich zweifle daran, dass mangelnde Produktivität damit zusammenhängt, wie viel Zeit man auf Facebook verbringt. Da müsste man auch gleich E-Mail am Arbeitsplatz verbieten. Facebook schadet der Produktivität nicht. Arbeitgeber sollten eher interessiert sein, dass ihre Mitarbeiter enge Beziehungen aufbauen.


Das gilt vielleicht für Vertriebsmitarbeiter. Aber welches Interesse hat ein Chef, dass Angestellte während der Arbeitszeit ständig mit ihren Freunden plaudern?

Hughes: Jeder kann in der Arbeit mit seinen Freunden auch per Telefon, E-Mail oder SMS kommunizieren. Facebook zu verbannen trifft nicht das Herz des Problems, dass viele Menschen ihre Arbeit uninteressant finden. Die nötige Motivation schafft man aber nicht durch Verbote. Ich bin überzeugt, dass glückliche Menschen bessere Arbeit machen. Und wenn da ein enger Kontakt mit Kollegen oder Freunden dazugehört, sollte das auch möglich sein.


Entscheidend bleibt aber, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen.

Hughes: Das muss jeder für sich entscheiden. Der Subtext Ihrer Frage ist aber: Facebook ist nicht wichtig. Und da widerspreche ich. Freundschaften zu pflegen gehört in meinen Augen zu den wichtigsten Aspekten unseres Lebens.

AUF EINEN BLICK

Facebook ist eine Online-Plattform, deren Mitglieder Profile anlegen und mit geschätzten 300 Millionen anderen Mitgliedern in Kontakt treten können. Heuer will die bei Datenschützern umstrittene Internetseite 500 Mio. Dollar Umsatz erzielen.

Chris Hughes, Mitgründer des erfolgreichen Netzwerkes, sprach am Mittwoch beim mobile.futuretalk 09 der Mobilkom Austria in Wien über „The Power of We“.

300 Millionen Menschen sollen Mitglied bei Facebook sein. [Facebook]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2009)

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