PJAK-Rebellen: „Wir können überall im Iran zuschlagen“

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Der Chef der PJAK-Rebellen, Haj-Ahmadi, kämpft für Kurden-Autonomie. PJAK kämpft offiziell gegen Irans Theokratie und für mehr Rechte der iranischen Kurden.

„Die Presse“: Was bedeuten die Proteste gegen den iranischen Präsidenten Ahmadinejad nach der Wahl für Irans Kurden?

Rahman Haj-Ahmadi: Die Völker im Iran haben jetzt Mut. Die Menschen sind bereit, sich für ihre Freiheit zu opfern. Das hat es bisher nicht gegeben.

Wenn es einen Machtwechsel im Iran geben würde oder auch nur einen Wechsel innerhalb des Regimes: Würde PJAK dann den bewaffneten Kampf einstellen?

Haj-Ahmadi: Sobald wir die Möglichkeit haben, unsere politische Tätigkeit frei durchzuführen, brauchen wir keine Kalaschnikows und Pistolen mehr. Wir würden dann sogar unsere Messer abgeben. Aber heute tragen wir Waffen, um uns bei unserer politischen Tätigkeit schützen zu können. Es geht nicht darum, Irans Regime zu stürzen. Wir kämpfen für unsere Rechte. Wenn diese einmal umgesetzt werden, wird der Iran aber wohl eine Demokratie sein.

Verstehen Sie unter diesen Rechten auch die Gründung eines eigenen Kurdenstaates?

Haj-Ahmadi: Nein, die Zeiten haben sich geändert. Wenn wir 1920 in der Weltpolitik so präsent wie heute gewesen wären, hätte man damals einen kurdischen Staat gegründet. Das hat man verpasst. Jetzt schließen sich die Völker zusammen wie in der EU. Wir wollen zusammenbleiben, aber unter der Wahrung unserer Identität. Ob man das dann Autonomie oder Föderalismus nennt, ist gleichgültig. Wir möchten im Iran dieselben Rechte genießen, die etwa das kurdische Volk im Irak hat.

Wie würden Sie das Verhältnis zur türkisch-kurdischen Untergrundbewegung PKK beschreiben? PJAK gilt als kleiner Bruder der PKK.

Haj-Ahmadi: Niemand wird sagen, die SPÖ ist ein Ableger der SPD. Aber beide sind natürlich sozialdemokratische Parteien. Dasselbe gilt für uns und die PKK. Wir haben dieselbe Ideologie. Aber wir sind zwei verschiedene Parteien.

Ihre Partei PJAK steht, so wie die PKK, in der EU und den USA auf der Liste der Terrororganisationen.

Haj-Ahmadi: Das stimmt. Und das ist ungerecht. Die türkische Regierung terrorisiert seit Jahrzehnten ein Volk von 20 bis 25 Millionen Menschen. Aber welche Terroraktionen hat die PKK durchgeführt?

Der PKK wird vorgeworfen, Bombenanschläge auf Urlauber in der Türkei durchgeführt zu haben.

Haj-Ahmadi: Monatelang vorher hat die PKK gesagt, nicht in die Türkei auf Urlaub zu fahren. Sie haben gesagt: Das Geld, das ihr dort ausgebt, wird gegen uns verwendet. Man kann zudem nicht wissen, ob hinter den Attentaten wirklich die PKK steckt. Oft hat die türkische Armee solche Aktionen gemacht, um sie der PKK anzulasten.

Die Iraner haben in Österreich und Deutschland kurdische Oppositionelle ermordet. Aber wir sollen dann die Terroristen sein. Solange wir unsere Rechte nicht bekommen, bin ich ein Terrorist. Aber was für eine Art von Terrorist? Ich bin ein Kämpfer für Menschenrechte im Iran. Wenn ich mich reden höre, merke ich, dass ich wütend werde. Aber die Schmerzen sind zu groß.

Aber auch der Iran wurde vom Westen als „terroristisch“ bezeichnet.

Haj-Ahmadi: Ja, natürlich, vor allem von den USA. Und wir kämpfen gegen diesen terroristischen Staat. Aber auf der anderen Seite erlässt das US-Wirtschaftsministerium ein Gesetz, dass die Gelder von PJAK eingefroren werden.

Die Regierung Bush soll PJAK aber noch mit Waffen unterstützt haben, um gegen das iranische Regime zu kämpfen.

Haj-Ahmadi: Das ist Propaganda der Iraner, um die Türken nervös zu machen. Die Iraner behaupten, dass die USA der PJAK Waffen liefern, die indirekt für die PKK sind. Sie behaupten sogar, dass israelische Experten die PJAK ausbilden. Irans Diplomatie hat in der Welt keine Macht. Deshalb machen sie alles über die Türkei. Sie wollen, dass die Türken Angst bekommen und in der Kurdenfrage Druck auf die USA ausüben. Und die Amerikaner brauchen die Türken.

Wo liegen die Camps der PJAK? Im Nordirak?

Haj-Ahmadi: Nein, wir sind überall im Iran. Unsere Partisanen im Gebirge sind nur ein geringer Teil von PJAK. Sie verteidigen das Gebiet, damit unsere Leute hier ihre Ausbildung machen können. Wir halten geheime Versammlungen in den kurdischen Dörfern ab. Und vor eineinhalb Jahren haben wir sogar einen Militärflughafen bei Teheran angegriffen. Wir wollten dem Regime zeigen, dass wir überall zuschlagen können.

AUF EINEN BLICK

Rahman Haj-Ahmadi ist Präsident der „Partei für ein Freies Leben in Kurdistan“ (PJAK). Sie gilt als iranische Schwesterpartei der türkisch-kurdischen Untergrundorganisation PKK. Die Guerilleros der PJAK kämpfen gegen das iranische Regime und für politische Eigenständigkeit der Kurden im Iran. Ihre Ausbildungscamps liegen im irakisch-iranischen Grenzgebiet. Haj-Ahmadi hält sich heute zumeist in Europa auf. [Clemens Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2009)

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