Wie Bratislava zu seinem Namen kam

Bratislava
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"Pressburg", "Pozsony": Die Hauptstadt unseres östlichen Nachbarn feiert den 90. "Geburtstag" ihres Namens, den ihr außerhalb des Landes aber noch immer nicht alle abnehmen wollen.

Wie heißt die Hauptstadt der Slowakei? Das wussten die Slowaken anfangs lange selber nicht. Daher sind sie nachsichtig gegenüber Ausländern, die Bratislava bis heute einen seit 90 Jahren obsoleten Namen geben: In amtlichen Schriften der deutschen und der österreichischen Diplomatie, aber auch in vielen deutschsprachigen Medien wird nämlich der Name weiter reaktionär als „Pressburg“ geführt. Und in Ungarn gilt „Pozsony“ als selbstverständliche Form.

Nicht zuletzt, um das darob gekränkte slowakische Selbstbewusstsein aufzubauen, wird derzeit in Bratislava mit Kongressen, Ausstellungen und anderen Veranstaltungen das 90-jährige Jubiläum der Umtaufe gefeiert. „Man soll zumindest wissen, dass es seit 1919 nicht mehr Pressburg, sondern Bratislava heißt“, hat sich Primator (Oberbürgermeister) Andrej Durkovsky im Gespräch mit der „Presse“ schon vor vier Jahren von den Österreichern gewünscht. Damals nutzte das Rathaus das Treffen von US-Präsident George W. Bush und Präsident Wladimir Putin in der Stadt, um den Namen „Bratislava“ international bekannter zu machen.

Das mit „Leningrad“ weiß jeder

Von Wien ist Bratislava nicht weiter weg als St. Pölten oder Eisenstadt. Dennoch haben die Österreicher die Umbenennung etwa von Sankt Petersburg in Leningrad und dann wieder zurück weit bewusster zur Kenntnis genommen als die seit einem gleich langen Zeitraum gültige Umtaufe Pressburgs.

Der slowakische Botschafter in Wien, Peter Lizak, nimmt's gelassen: „Wir können und wollen nicht in die interne Kommunikation in Österreich oder Deutschland eingreifen, auch wenn wir selbst auch im deutschsprachigen Schriftverkehr ,Bratislava‘ verwenden. Nur, wenn es zur Verwirrung Dritter führen kann und jemand aus einem ganz anderen Land Bratislava nicht auf der Karte findet, weil er anhand österreichischer Informationen vergeblich ,Pressburg‘ sucht, melden wir uns schon mit der Bitte, den offiziellen Namen zu benutzen.“

„Pre?porok“ auf Slowakisch

Die Veranstaltungen zum Namensjubiläum sind indes zuallererst aufs heimische Publikum ausgerichtet. Denn selbst unter den Slowaken ist es weitgehend vergessen, dass Bratislava auch auf Slowakisch vor 1919 niemals Bratislava hieß: Anders, als man oft meint, hieß die slowakische Entsprechung von Pressburg bzw. Pozsony nämlich „Pre?porok“.

Dass das freilich allzu deutsch klang, war der Hauptgrund, warum der nach dem Ersten Weltkrieg neu gegründete Staat Tschechoslowakei die Umbenennung überhaupt wollte: Mit Pre?porok hatten sich die Slowaken nämlich ausgerechnet eine Stadt zur Kapitale ihres Landesteils erwählt, in der sie selbst klar in der Minderheit waren – und der tonangebende Teil der mehrheitlich deutsch- und ungarischsprachigen Bevölkerung dort wollte überhaupt nicht zur ?SSR gehören.

Also versuchten die Pressburger zuerst, sich mit der Namensgebung „Wilsonstadt“ oder „Wilsonovo“ (nach dem damaligen amerikanischen Präsidenten) einen internationalen Status, unabhängig von der Tschechoslowakei oder von Ungarn, zu sichern. Auch andere Namen waren im Gespräch, bis die tschechoslowakische Obrigkeit die auf slawische Wurzeln zurückgeführte Bezeichnung „Bratislav“, und danach Bratislava, durchsetzte. Ihr lag wiederum, je nach Deutung, ein Fürst Vratislav zugrunde, der im neunten Jahrhundert gelebt haben soll, oder aber Predslav, ein Sohn des großmährischen Herrschers Sventopluk, der ebenfalls im neunten Jahrhundert gelebt hatte. Genaues weiß man lustigerweise bis heute nicht.

Die Krönungsstadt der Ungarn

Die Umbenennung sollte jedenfalls die geänderte Rolle demonstrieren: Pressburg war historische ungarische Krönungsstadt der Monarchie, Bratislava Hauptstadt einer neuen (Teil-)Republik. Die Verlautbarung, mit der „Bratislava“ als Name rechtswirksam wurde, erfolgte am 27. März 1919 in einem Amtsblatt, das selbst noch den Namen „Pre?porok“ als Ortsangabe auf der Titelseite hatte.

Inzwischen ist Bratislava durch Eingemeindungen, Zuwanderung aus dem Landesinneren, die Errichtung des 130.000 Einwohner zählenden Stadtteils Petr?alka, aber auch durch die Vertreibung der Deutschen nach 1945 eine fast völlig slowakische Stadt ohne signifikante deutsche Minderheit. Bratislava hat nur mehr wenig mit Pressburg zu tun.

LEXIKON. Die unbekannte Hauptstadt

Es sind nur etwa 40 km Luftlinie, doch scheint Bratislava von Wien ferner als Bangkok. Die meisten Ostösterreicher waren noch nie in der 450.000-Einwohner-Stadt, die im Kern einer niederösterreichischen Bezirksmetropole ähnelt. Dabei gibt's eine Oper, Theater, nette Geschäfte und eine sowohl günstige als auch lässige Lokalszene.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2009)

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