Iran: Mit dem Flugzeug zurück ins Mittelalter

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Der 1. Februar 1979 wirkt bis heute fort: An diesem Tag landete Ayatollah Khomeini in Teheran. Damit war nicht nur das Schicksal der Monarchie besiegelt. Die Machtübernahme der Islamisten veränderte die ganze Region.

Der Ayatollah sagte: „Nichts.“ Gerade eben war er von einem Journalisten gefragt worden, was er angesichts der Tatsache empfinde, nach 15 Jahren Exil wieder iranischen Boden zu betreten und von Millionen Landsleuten erwartet zu werden. Es ist der 1. Februar 1979, Ayatollah Ruhollah Khomeini befindet sich an Bord einer gecharterten Air-France-Boeing-747-Maschine im Landeanflug auf den Flughafen Mehrabad in Teheran.

Zwei Wochen vorher waren die Tageszeitungen im Iran mit der dicken Schlagzeile: „Shah raft – der Schah ist weg“ erschienen. Der geheimnisvolle, grimmige Greis Khomeini hatte Reza Pahlavi schachmatt gesetzt. Shah mat heißt wörtlich: Der Schah ist geschlagen.

Doch das war nicht nur das Ende der 2500 Jahre währenden Monarchie in Persien, sondern auch der Schlusspunkt der Ära des säkularen Nationalismus in der Region. Von nun an würden die Geistlichen die Marschrichtung am Golf und in Nahost vorgeben, „für mich ist der Khomeini-Siegeszug ein Schlafwagenexpress ins Mittelalter“, meinte damals ein Perser gegenüber dem Hamburger Nachrichtenmagazin „Spiegel“.

Die Revolution war zwar noch nicht endgültig geschlagen, denn niemand wusste, ob die Armee nicht doch aufseiten von Premier Shapour Bakhtiar intervenieren würde. Aber ohne den Segen Khomeinis, des unbeugsamen, halsstarrigen Radikalen, würde im Iran keine Regierung mehr gebildet werden können.

Wie eine messianische Gestalt

Khomeini war vielen im Iran wie der Mehdi erschienen, der Messias, der verborgene Imam, der aus seinem Exil wie aus einer Entrückung zurückgekehrt ist: Er hatte aus seinem 15-jährigen Exil Ungerechtigkeit, Armut und die Demütigungen durch die Obrigkeit beklagt und für die damalige Zeit modernste Propagandamittel eingesetzt. Tonbandkassetten mit seinen Predigten und Ansprachen waren tausendfach kopiert und in den Moscheen verteilt worden.

Und obwohl iranische Intellektuelle und linke Studentengruppen Angst vor Khomeinis Bestreben hatten, im Iran einen Gottesstaat zu errichten, arbeiteten sie dennoch mit Khomeinis Leuten zusammen – schließlich ging es gegen den gemeinsamen Feind, den Schah.

Außerdem versprach Khomeini: „Rede und Meinungsfreiheit gehören zu den elementarsten Rechten und dürfen auf keinen Fall angetastet werden.“ Doch im Rausch der absoluten Macht – der nach dem Sieg der Islamischen Revolution einsetzte – galten diese Versprechungen bald nichts mehr. „Was gestern richtig war, kann sich morgen als falsch erweisen“, lautete Khomeinis Diktum.

Der Ayatollah erwies sich als Machiavellist: Er spaltete das Lager der gemäßigten, linken und bürgerlichen Kräfte und baute im Hintergrund den islamistischen Machtapparat aus. Khomeini war der Architekt einer schiitischen Wiedergeburt, die den Iran und die gesamte Region verändern sollte.

Die Schiiten-Renaissance

Im Iran selbst wurde der Einfluss der Hisbollahis, der Parteigänger Gottes, immer stärker: Sie besetzten Zeitungsredaktionen, stürmten die Zentralen der politischen Parteien und begannen eine Hexenjagd gegen ihre politischen Gegner. Den Frauen schrieben sie vor, wie sie sich zu kleiden hatten. Den irakischen Überfall auf den Iran im September 1980 nannte Khomeini ein „Geschenk des Himmels“, denn der Krieg bot den Islamisten einen Vorwand, ihre Macht noch weiter auszubauen.

Die Islamische Revolution stellte bald universalistische Ansprüche: Der Gottesstaat sollte der Umma – der Gemeinschaft der Muslime – als Vorbild dienen.

Die Isolation des Iran

Damit forderte Khomeini die traditionelle Führungsmacht der islamischen Welt, Saudiarabien, heraus. Als das Königshaus der Sauds im Irak-Iran-Krieg Saddam Hussein unterstützte, war der Bruch zwischen Teheran und Riad besiegelt. Seither fürchtet die arabische Welt, von einem „schiitischen Halbmond“ durchschnitten zu werden, wie es der jordanische König Abdullah II. formulierte.

Der Iran unterstützt die Hisbollah im Libanon, die Hamas in Gaza und versucht so im Nahen Osten im Spiel zu bleiben. Die Positionierung als Erzfeind Israels ist wohl auch unter diesem Gesichtspunkt zu verstehen.

Von Anfang an verfolgte Khomeini diesen aggressiven Kurs: Bei seiner Ankunft am 1. Februar hatte er gesagt: „Unser Sieg wird vollendet sein, wenn alle Ausländer das Land verlassen haben.“ Die Geiselnahme von 66 US-Diplomaten in der Botschaft in Teheran setzte im November 1979 den Beziehungen zu den USA ein Ende, spätestens der Einmarsch der Russen in Afghanistan ließ auch das Verhältnis zu Moskau erkalten. Im Kalten Krieg saß Teheran isoliert und zwischen allen Stühlen.

Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes war dem Asketen stets egal: „Ökonomie, das ist etwas für Esel. Wir haben die Revolution nicht gemacht, um unsere Bäuche zu füllen. Das Ziel der Revolution war der Islam.“

Der Architekt dieser Isolation, Ayatollah Khomeini, stirbt am 3. Juni 1989. Sein Werk wirkt noch immer fort.

CHRONOLOGIE

16. Jänner 1979: Schah Reza Pahlevi flüchtet aus dem Iran. Seine Abschiedsworte: „Ich musste in Bezug auf die Unruhen, die es in unserem Land gibt, viel Geduld aufbringen. Jetzt bin ich müde und benötige dringend Ruhe und Erholung.“ Er sollte nie wieder in den Iran zurückkehren, sondern stirbt 1980 in Kairo.

1. Februar 1979: Ayatollah Ruhollah Khomeini kehrt in den Iran zurück und wird von einer riesigen Menschenmenge empfangen.

4. November 1979. Erstürmung der US-Botschaft in Teheran durch radikale Khomeini-Anhänger. Eine 444 Tage dauernde Geiselkrise beginnt.

22. September 1980: Saddam Hussein marschiert im Iran ein.

3. Juni 1989: Tod von Ayatollah Ruhollah Khomeini.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2009)

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